Als unsere beiden Schulhäuser in den Jahre 1991 bis 1994 von John Ermel geplant und von Wilfried Emmer gebaut wurden, entwickelte Fritz Fuchs zu der organischen Formsprache der Architektur, eine ebenso organische Farbsprache, die in der ganzen Farbgestaltung für die vielfältigen Räume und deren Nutzungen Ausdruck fand. Fritz Fuchs gehörte zu den innovativsten und bekanntesten Farbgestaltern innerhalb der anthroposophischen Bewegung.
Unsere Schule ist nun nach Ihrer Gründung im 30. Betriebsjahr. Neben dem Unterstufen- und dem Mittelstufengebäude wurde ursprünglich noch ein drittes Gebäude entworfen, in dem die Oberstufe, eine Turnhalle und ein Festsaal untergebracht werden sollten. Die beiden bestehenden Schulhäuser sind ja architektonisch gesehen in groß Teilen identisch. Beide Häuser werden seit jeher von beiden Altersstufen benutzt.
Über die Jahre hat sich mehrfach ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Raumbedarf und Raumangebot eingestellt, dass aber auch immer wieder nachjustiert werden musste. Die ab 2005 entwickelte Ganztagesschule und die damit verbundenen Anforderungen an Küche und Mensabetrieb haben den schon davor wahrgenommenen Raumbedarf erneut ins Blickfeld gerückt. Das für dieses Schulprofil in den Gründungsjahren 1991 bis 1994 so nicht vorgesehenen Raumprogramm konnte aber in seiner räumlichen Verwirklichung immer wieder den neuen Herausforderungen angepasst werden. Zuletzt geschah dies 2015 als weitere Räume zu Fluchtwegen umgewidmet wurden, um zu den neu angebauten Außen-Stahltreppen auflagengemäß gelangen zu können. Die sich in den letzten Jahren häufenden Umbauten und Anbauten, Nutzungsänderungen und technischen Nachrüstungen, aber auch der Schulalltag mit seinen täglich über 450 Nutzern, führten immer wieder dazu, dass die ursprünglich sehr einheitlich und gekonnt lasierten Wände durchbrochen wurden, Türen versetzt und beschädigte Putzstellen ausgebessert werden mussten.
Blick vom Schülercafé in das Treppenauge in der Mittelstufe
Wenn man von der Empore ins Treppenhaus schaut, ist hier eine sehr große Wandmalerei zu sehen, ein genialer Übergang von der Lasurmalerei zum Wandbild.
Bei den in der Vergangenheit durchgeführten Renovierungs-und Umbaumaßnahmen zeigte sich, wie die diversen Auffassungen von Lasurtechniken, die Nutzung unterschiedlicher Pigmentarten, und die Handhabe von Lasur-Werkzeugen sich deutlich von dem Ursprungszustand des von Fritz Fuchs und den Gründungseltern entwickelten Farbkonzeptes und Farbauftrag unterscheiden. Fritz Fuchs hatte in mehreren Workshops Lasurteams aus der Elternschaft eingewiesen und auch selber mit Hand angelegt.
Die bei Erstbezug aufgetragenen Farben hatten neben den für die einzelnen Klassenstufen entwickelten individuellen Farbtönen insgesamt in den Schulhäusern einen sehr einheitlichen Farb-Duktus, den man als erdverbunden bezeichnen könnte. Auf dieser Basis entstanden sehr lebendige Farbaufträge, die die Wände eher zu einem milderen Farberlebnis als zu einer gleißend-leuchtenden Farbempfindung führen. Dieser Charakter mag der die Schule umgebenden Landschaft mit ihren speziellen Witterungs- und Lichteigenheiten oder auch den sandigen, lehmigen und steinigen Untergrund abgelauscht worden sein. In jedem Fall führt er dazu, dass die Wände als deutliche vertikale Begrenzungen wahrgenommen werden können. Durch die Farbgebung wollen sich die Wände nicht scheinbar auflösen oder gar ein plastisches Erlebnis vermitteln. Dem Betrachter erscheinen die Wände in der Regel nicht transparent, wie dies häufig an anderen Schulen intendiert wurde.
Diese Wandmalerei ist nach dem Umbau des Schülercafés hinter einem Wandschrank verschwunden.
In der Unterstufe ist im Erdgeschoss im Klassenflur diese herrliche Farbkomposition zu finden.
Sowohl für den aktiven Beobachter der Farbräume als auch für den arglosen Nutzer entstand ein sehr geschlossenes und konsequent durchdachtes Farbpanorama, dass die Pädagogik in ihren vielfältigen Aufgaben auch heute noch unterstützt. Besucher beschreiben die Architektur und die mit ihr korrespondierende und sie ergänzende Farbwahl als harmonisch und belebend zugleich. Oft wird dabei eine Qualität des Wohlfühlens betont.
Künstlerisch gesehen gliedert sich das eine große Farbenwesen der Schule in den einzelnen Räumen zu ausdifferenzierten Farborganen, die in den einzelnen Klassenzimmern, Eurythmie-Sälen, Werkstätten usw. zu der gewünschten Atmosphäre beitragen.
Es ist immer wieder schön zu sehen, wie die Stimmungen in beiden Häusern durch die Farbe, die Farbkompositionen und besonders auch in der Mittelstufe durch einzelne Farbakzente gestaltet wurden. Diese Farbakzente sind am deutlichsten jedoch in den Malereien zu erleben, die in der Schule gelegentlich als Gemälde angesprochen werden.
Tomas Bittger, Werklehrer
(Der Beitrag erschien in der Zeitschrift „Mensch und Architektur“, Juli 2018)