Die 8. Klasse zeigte in mehreren Aufführungen und 2 Besetzungen die Komödie „Viel Lärm um nichts“ von William Shakespeare – ein Theaterklassiker unter den Komödien, der vor allem vom Wortwitz und dem Schlagabtausch zwischen den Darstellern lebt. Lebendig brachte die 8. Klasse die Figuren auf die Bühne und hatte beim Spiel viel Freude. Hier ein Einblick in beide Besetzungen.
Kategorie: Einblick
Marionettenspiel
In diesem Jahr gab es zum ersten Mal zwei Marionettenspielaufführungen in der Freien Waldorfschule Westpfalz in Otterberg. Zuerst wurden Marionetten gefertigt und danach die Märchen „Das tapfere Schneiderlein“ und „Die zertanzten Schuhe“ aufgeführt. Die Siebtklässler widmeten sich im Rahmen des Handarbeitsunterrichtes dieser spannenden Aufgabe.
Mit viel Freude lassen sich die Kinder in der Unterstufe beim morgendlichen Rezitieren und Singen bewegen. Ganz anders ist es in der siebten Klasse. Die Schüler sind deutlich gewachsen und sind bequemer geworden. Sie singen und rezitieren zwar immer noch gerne, aber schon etwas verhaltener. Ihre Gestik ist zurückhaltender und jegliche Gebärde wird lieber vermieden. Die Bewegungen der Heranwachsenden haben einen anderen Charakter. Trägheit tritt ein und die Erdenschwere ergreift die Jugendlichen. Nicht gerne steht man in diesem Alter auf der Bühne und zeigt sich dem Publikum. Aber eine Marionette kann stellvertretend in Erscheinung treten.
Ein Geschenk an die Kleinen sollte es werden, am besten eine Märchenvorführung. Zuerst musste eine Geschichte gefunden werden. Nachdem ein Stück ausgesucht wurde, konnten die Schülerinnen sofort ans Werk gehen. Fleißig wurde plastiziert, gewerkelt und genäht. Nachdem die Puppe gebaut wurde, begannen die Vorbereitungen für ein Marionettenspiel. Die Schüler fertigten Kulissen und Requisiten an. Auch mussten viele Aufgaben bewältigt werden, wie Beleuchtung, Musikbegleitung, Geräusche usw. Für alle gab es eine zusätzliche Aufgabe. Das Führen einer Marionette mit viel Einfühlungsvermögen war eine Herausforderung. Mit einer Hand trugen die Spieler die Puppe an den beiden Kopffäden und dem Rückenfaden, mit der anderen Hand bewegten sie die Arme der Puppe und konnte auf diese Weise die Hand- und Armbewegungen der kleinen Marionette sehr differenziert und genau führen. So nahmen die Fäden eine Verbindung zwischen Spielendem und der Marionette ein. Das Verhältnis zur kleinen Figur wuchs während der Proben und wurde immer inniger.
Kinder aus jüngeren Klassen wurden eingeladen, Lehrer und die Eltern auch. Nach jeder Aufführung gab es Lob, hochachtungsvolle Kommentare und ein zufriedenes Publikum. Für die Siebtklässler entstand ein Gefühl – es hatte sich gelohnt, miteinander hatten wir etwas Gutes gemacht und vielen Menschen Freude bereitet.
Elena Brass, Handarbeitslehrerin
Neue Spiel-Landschaft eingeweiht
am Dienstag, 12.7.2022 war es endlich soweit: die Schulgemeinschaft durfte die neue Spiellandschaft einweihen!
Nachdem das alte Spielhäuschen marode war und ersetzt werden musste, planten die Mitarbeiter der Ganztagsbetreuung eine neue Spiel-Landschaft und hatten Glück: Die Schule bekam einen Zuschuss zu den Kosten.
Dann ging es ganz schnell: Mit tatkräftiger Hilfe der Schüler wurde das alte Spielhäuschen abgerissen und die Bauarbeiter konnten mit dem Aufbau beginnen: Fundamente betonieren, Sand komplett austauschen – jetzt ist alles fertig und mit einer feierlichen Einweihung konnten die Spielgeräte in Beschlag genommen werden.
Eine lange Schlange bildete sich, denn jeder wollte einmal klettern! Möge die Spielelandschaft allen viel Freude bringen!
Pension Schöller
Klassenspiel der 8. Klasse, Frühjahr 2022
Die 8. Klasse spielte die Komödie „Pension Schöller“: Der Gutsbesitzer Klapproth möchte zu gerne einmal von seinem Neffen Alfred, den er dafür finanziell bei einer Geschäftsgründung zu unterstützen verspricht, eine Irrenanstalt von innen gezeigt bekommen und echte Irre erleben. Alfreds Freund Ernst Kissling empfiehlt ihm, seinem Onkel doch die Pension Schöller zu zeigen, deren Gäste ziemlich exzentrisch sind. Gutsbesitzer Klapproth, der die Gäste wirklich für Irre hält, amüsiert sich prächtig. Die Situation eskaliert allerdings, als Klapproth, zurückgekehrt auf sein Gut, von diesen vermeintlichen Irren besucht wird.
Szenen aus dem Theaterstück der 8. Klasse „Pension Schöller“
Vor und hinter der Bühne
Impressionen von Annette Boomes
Bevor der Vorhang fällt, mit dem Aussprechen des letzten Textes versinkt der Saal in absolute Stille! Wenige Sekunden – lange Sekunden – und ein ganzer Saal voller Zuschauer erwacht aus einem Traum. Erst einer, dann Einzelne, zuletzt fallen alle in den Applaus ein. Als wenn sich das Publikum aus seiner Benommenheit wach klatschen müsste, erwacht der Saal zu neuem Leben. Man ist wieder angekommen. Sitzend auf seinem Stuhl. Manch einer stellt sich auf. Ergriffen, gerührt oder einfach nur beeindruckt schenkt das Publikum seine Gunst – sein Dankeschön – den Spielern und Spielerinnen.
Vergessen sind die Mühen der vergangenen Tage. Das nervöse „Geht das wohl gut?“ Die Ängste, ob das Vorhaben geschafft werden kann. „Werden auch wir so sein wie die anderen Klassen, die so gut waren? Oder vielleicht gar ein kleines bisschen besser? Familienangehörige fremdeln vor ihren Kindern. Solch Energie, Leidenschaft, Festigkeit oder Mut hätten sie nie erwartet. Ein anderes Kleid, eine andere Frisur und dann das Ausleben einer Rolle. War das wirklich unsere Tochter, unser Sohn?! Unglaublich! Erst nun wird vielen deutlich, welch eine intensive Reise die Klasse durchlebt hat. Warum es nötig war, sich so ganz auf das Theaterspielen einzulassen. – Spielen? Wie kann man etwas spielen, wenn es so hart erkämpft und durch Krisen gehend erprobt wurde? Nun zeigt sich, dass dies, was hier geleistet wurde, mit viel Disziplin erarbeitet worden ist.
Eine gute Organisation bildet die Schale, aus der die Kunst zur Freiheit gelangen kann. Wenn jeder Gang, jeder Lauf und jede Position auf der Bühne sitzt, wenn Texte gelernt und mit ganzer Seele verstanden sind. Wenn die Emotionalität des Auftrittes stimmt – dann erst können die Spieler und Spielerinnen frei spielen. Weg mit den Stützrädern und Geländern! Der oder die Einzelne erlebt die Stärke der Gemeinschaft, so wie auch die Gemeinschaft emporgezogen wird durch die Leistung die die Einzelnen entwickelt haben. Schüchterne Schülerpersönlichkeiten sprechen mit klarer Sprache den ganzen Saal erfüllend. Schüler, die sonst im Sozialen eher am Rande stehen, erstrahlen durch ihre klare Präsenz und gute Organisation. Aber auch diejenigen, die sich sonst in den Pausen so lautstark hervortun, entdecken: Hier kommt es auf sehr viel mehr an, als auf ein paar flotte Sprüche.
Die Aufgabe der begleitenden Lehrer ist es, die Gemeinschaft zu stützen. Den Jugendlichen in der Fülle der Gewerke Aufgaben zu vermitteln, in die sie hineinwachsen können. Sodass es am Ende ihr Stück werden kann. Nie dürfen wir dabei vergessen, dass wir ein Laientheater sind. Jede und jeder erhält eine Rolle. Auch die, welche sich als völlig talentfrei erleben. Sind die Rollen verteilt und der Text ausgegeben, dann beginnt die Arbeit der Kostümregie.
Elemente der Kostümregie:
- Ein gutes Soziogramm hilft: Welche Rolle ist verwandt oder befreundet mit welcher anderen?
- Welcher Art sind die Alters- und Standesunterschiede
(„Der Mantel macht den Herrn!“) - Steckbriefe: Wer bin ich? Wie kann man das Leben dieser Figur in die Zeit des Stückes einordnen? Welche Veränderungen erlebt sie im Verlauf der Handlung?
- Der Farbkreis gibt eine Orientierung bei der Auswahl der Kostüme:
- Freunde harmonisieren miteinander.
- Paare zeigen auch Farbimpulse des anderen.
- Seelische Disharmonien zeigen sich auch durch unechte
Farbkontraste.
In all den Jahren habe ich Stück für Stück dank Spenden, Haushaltsauflösungen, Basare und Einkäufe einen passablen Kostümfundus aufgebaut, dessen vielfältige Kombinationsmöglichkeiten sich immer wieder bewähren. Bei doppelter Rollenbesetzung (verschiedene Kleidergrößen!) kommt man schnell auf 60 Kostüme pro Produktion. Für diese Organisation braucht die Schüler und Schülerinnen eine klare Anleitung. (Listenführung / Arbeitsaufträge)
Die Jugendlichen erhalten Figurinen (weibliche und männliche Silhouetten), die sie „anziehen“ dürfen. Die Treffendsten bilden die Grundlage für das weitere Vorgehen. Dann geht es auf die Suche im Fundus: „Haben wir das?“, „Lässt sich etwas dahingehend umgestalten?“
Entscheidend für den Charakter einer Rolle sind die Accessoires! So etwa die Brille für den Gelehrten, das Stethoskop für den Arzt, das kleine Handtäschchen mit unendlich viel Kleinkram darin für die nervöse Oma … Diese Requisiten helfen den Schülern in ihren Rollen hineinzufinden. Auch löst sich so ein wenig das leidige Problem: Wohin mit den Händen??? Requisiten beflügeln auch die Phantasie: Bilder mit Goldrahmen, dazu weinrote Stuhlhussen und weiße Spitzentischdecken – schon sind wir in der „Pension Schöller“. Die gleichen Stühle, ohne Hussen und Tischwäsche, aber mit Zeitungen: ein Bistro! Und nun ein Tisch mit karierten Tischdecken, einem Hirschgeweih und einem Jägerbild an der Wand: Bei „Herrn Klapproth“ zuhause. Was Farben ausmachen können, erlebten wir noch deutlicher bei Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“: Vier Stühle bilden ein Auto (so die Regieanweisung des Autors). Der „Sohn“ als Fahrer erhält ein rotes Hemd und eine Lederjacke. Was fährt er nun für einen Wagen? – Ganz klar: ein schnelles Auto. So wie es in einem Stück von Agathe Christie heißt: „Ein Ferrari kann jede Farbe haben, wenn er nur rot ist.“
Zieht die Bühne um an den Ort der Aufführungen, sind schon die ersten Durchlaufproben gelaufen. Die erprobten Einzelszenen wurden wie die Perlen auf einer Kettenschnur zusammengefasst. Nun erst erkennt man die Anschlussfehler.
- Eine Durchlaufprobe dauert etwa doppelt so lange wie die Aufführung am Ende.
- Bei einer Hauptprobe sollte alles da sein, was das Stück am Ende braucht ( Möbel, Requisiten …)
- Bei der Generalprobe müssen die Schüler ihre Pannen selbst bezwingen.
Bis zu den Aufführungen hat sich die Bühne eingerichtet und neue Aufgabenfelder haben sich gefunden:
Requisiteurin:
Alle tragbaren Requisiten sind hinter der Bühne an einem festen Platz abgelegt. Gläser sind sauber gespült, Karaffen gefüllt. Sind die Notizblöcke alle da? …
Inspizient oder Inspizientin:
Stehen die SpielerInnen für die nächste Szene mit ihren Requisiten bereit? Hinter der Bühne sehen die Spieler nicht, was vor und auf der Bühne vor sich geht.
Umbau:
Welche Schüler sind frei für Szenenwechselumbauten?
Was kommt wohin?
Beleuchtung/Technik:
Wer von den Spielern ist noch frei und hat dafür ein Händchen? Auch Klangeinspielungen müssen gesucht und bearbeitet werden.
Kostüme:
Hängen alle Kostüme nach der Aufführung auf ihren Bügeln an ihrem Platz? Wurden beim Zusammenfalten die Bügelfalten beachtet?
Maske:
Es ist schön zu sehen, wie die Schüler sich gegenseitig helfend zur Hand gehen. Das gegenseitige Frisieren beruhigt die Gruppe.
Bühnenbau:
Bis zuletzt gibt es Nachbesserungen. Ein Nagel, der rutscht – eine Tür, die klemmt …
Die Applausordnung
ist festgeklebt an der Rückseite einer Kulissenwand; es wurde geprobt, wer mit wem in welcher Reihenfolge und durch welche Tür hereinkommt…
Liebe Theaterfreunde, es gibt immer ein Stück im Stück: Ein Parallelspiel, das hinter der Bühne stattfindet: Umgefallenen Gläser, Suchen im Dunkeln, lautes Flüstern, Briefe, die noch auf die Bühne geschmuggelt werden müssen, weil sie nicht da lagen, wo sie zu liegen hatten. Kleider, die plötzlich reißen, unauffindbare oder kaputte Requisiten… Dazu kommen noch die ungewollten Textüberspringer, die den Schülern hinter der Bühne erst den richtigen Adrenalinspiegel bescheren („Was, wir sind schon da????“)
Zu guter Letzt seien hier noch einige meiner „Allzweckwaffen“ genannt: Panzertape, Teppichklebeband, Sicherheitsnadeln, Eddingstifte und viel Humor! Damit kommt man schon sehr weit und das wichtigste ist natürlich: RUHE BEWAHREN!
Alles nur Theater?
Theaterprojekte genießen an Waldorfschulen einen hohen Stellenwert. Als noch stark chorisch getragene szenische Spiele beginnen sie schon in der 1. Klasse und gehören dann zu allen Stufen der Klassenlehrerzeit – an deren Ende finden sie einen krönenden Abschluss mit dem 8. Klass-Spiel, nun bereits deutlich individualisierter als in den Jahren zuvor. Zu den großen Abschlussprojekten und Reifeprüfungen der Oberstufenzeit gehört das Klassenspiel der 12. Klasse als ein gemeinschaftliches Gesamtkunstwerk, komponiert von den auch künstlerisch gereiften Individualitäten jedes und jeder einzelnen Jugendlichen. Warum ist uns diese Arbeit pädagogisch so wichtig? Im Folgenden wird eine Antwort aus verschiedenen Perspektiven versucht, insbesondere von langjährigen Regie-Erfahrungen auf der Oberstufe her.
Stellen wir uns zunächst die Frage nach dem Wesen des Darstellenden Spiels, so denken wir an „Verwandlung“, „Sich in eine andere Persönlichkeit hineinversetzen“. Schauspielen ist vor allen Dingen ein Spiel, ein freies Ausprobieren von Möglichkeiten innerhalb eines sozial verabredeten Rahmens (Regeln, Spielfeld, Bühne) Für den niederländischen Anthropologen und Philosophen Johan Huizinga geht sogar alle Kultur aus dem Spiel hervor, ja sie ist ihm ein Spiel, allerdings in voller Ernsthaftigkeit, wie sie schon kleine Kinder bei ihren „Als-ob-Spielen“ an den Tag legen. Dies zeigt die tiefe Innigkeit und Versunkenheit ihres Tuns! „Spiel“ und „Ernst“ sind keine Gegensätze! Wenn durch das Schauspielen fremde und andersartige Charaktere zum Leben erweckt werden, so bedeutet das eine Weitung der Seele, ein inneres Wachstum, eine Reise meiner Innerlichkeit in nahe und ferne Regionen menschlicher Daseinsverwirklichung. Die Kunst besteht darin, die gewählte Rollenfigur in der eigenen Seele zum Klingen zu bringen und diese Klänge in Sprache, Geste und Mimik überzeugend nach außen zu tragen und in das Spiel der anderen zu integrieren.
Und der Weg dahin?
Große Theaterlehrer verfolgten unterschiedliche Richtungen. Für Konstantin Stanislawski, den berühmten russischen Schauspieler, Regisseur und Mitbegründer des Moskauer Künstlertheaters, erwuchs ein glaubhaftes Agieren auf der Bühne allein aus den vom Spieler wachzurufenden Erinnerungen an frühere eigene Erlebnisse und Emotionen in vergleichbaren Situationen. Das aber, so seine Kritiker, berge die Gefahr des Schmorens im eigenen Saft: In naturalistischer Manier werde so immer nur vergangenes Erleben repliziert. Von Weitung der Seele kann insofern keine Rede sein. Für viele Theaterlehrer und -lehrerinnen an Waldorfschulen sind die Gedanken seines Schülers Michael Tschechow – eines Neffen des Dramatikers Anton Tschechow („Kirschgarten“ u.a.) – daher von höherem Wert, denn ihm ist das Ergreifen einer Rolle keine Nachahmung oder Neuauflage alten Erlebens, sondern eine Frage der kreativ schaffenden Imagination. Zur Schulung dieser „konkret anschauenden Fantasie“ entwickelte Tschechow eine Reihe von Achtsamkeitsübungen, die ich gern in das vorbereitende Training bei 12. Klass-Projekten integriere und hier kurz andeuten will: Eine dieser Übungen zielt darauf ab, frei gestaltete Bewegungen immer bewusster zu führen, sie dann mehr und mehr aus einem innerlich erspürten (Herz-)Zentrum fließen zu lassen, den ätherischen Bewegungsimpuls selbst in den Bühnenraum zu schicken und ihm auf dessen energetischer Bahn das physische Geschehen nachfolgen zu lassen. Mit gleicher Achtsamkeit gilt es, die immer kraftvoller erlebte Rollenfigur in einer wesentlichen und charaktervollen Grundgeste zusammenzufassen: in der von Tschechow so genannten „psychologischen Gebärde“. Diese „Ur-Geste“ kann, einmal tiefer verinnerlicht, dann zum Keim eines jeden neuen Auftritts werden.
Damit kommen wir zur künstlerischen, seelisch-geistigen Dimension des Theaterspiels: Die auszufüllende Rolle kann das seelische Vermögen wachsen lassen und zur Entfaltung bringen. Den so gehobenen Schatz aber gilt es zu formen, zu gestalten, mitunter auch einzuhegen, die rechte Mitte (im aristotelischen Sinne) zu finden. Anders gesagt: den Dreiklang des eigenen Denkens, Fühlens und Wollens zu einem Werkstoff und zugleich Werkzeug zu machen, mit dem man bis in seinen physischen Bewegungsmenschen hinein Neues schafft, Vielfalt entwickelt und dadurch Freiheitsgrade erringt. Große Zeugnisse der Dramenliteratur (der zeitgenössischen ebenso wie der klassischen) ermöglichen aus meiner Sicht eine solche Seelenweitung besser als manch gut gemeinte Jugendstücke, in denen Kinder und Jugendliche mehr oder weniger sich selber spielen und so allein aus eigenen Befindlichkeiten heraus ihr naturgemäß noch begrenztes Sein artikulieren.
Ein wenig Entwicklungspsychologie:
In der 7. und 8. Klasse, auf der Schwelle zwischen Kindheit und Jugend, klingt die Zeit der „Nachfolge“ aus. Natürlich verlangen die Jugendlichen auch weiterhin nach Orientierung an einer helfenden äußeren Form, die sie gleichwohl mit Lust immer wieder prüfen und herausfordern. So wird ein Regisseur oder eine Theaterlehrerin in der 8. Klasse sehr viele Gesten, Gänge, Choreografien und Sprachmodulationen gerüstweise vorgeben, sich allerdings beglückt fühlen und dies auch zeigen, wenn im Probenverlauf die Spieler und Spielerinnen zunehmend eigene Nuancen und Spielideen entwickeln. Formerfüllung führt zur allmählich individuelleren Formentfaltung. Um die 10. Klasse herum verstärkt sich dann der jugendliche Blick auf die eigene (bereits gelebte wie fragend erwartete) Biografie, und es erwacht die Sehnsucht nach deren selbstbestimmter Gestaltung. Die 12.Klass-Regie ist von Anfang an freilassender angelegt: Regie heißt für mich auf dieser Stufe eher Moderation, ein unablässiges künstlerisches Gespräch mit der Crew. Die fruchtbarsten Kritiker sind die sensibilisierte eigene Selbstwahrnehmung und die MitschülerInnen selber. Gleichwohl nimmt eine 12. Klasse inspirierende Spielideen, das klare Bild des „großen Ganzen“ und pragmatisch nachvollziehbare Probenpläne des regieerfahrenen Erwachsenen dankbar an. Hier passt das wenn auch etwas inflationär gebrauchte Wort von der „Begegnung auf Augenhöhe“ voll und ganz!
Der Leistungsgedanke
Wer sich vom Zauber eines gemeinschaftlichen Bühnenprojektes der ganzen Klasse einfangen lässt, für den und für die entwickeln sich die Klassenspielwochen schnell zu solchen der Schwerarbeit. Jedes Mitglied der Klasse muss (mindestens) eine Bühnenrolle ergreifen – für mich eine eiserne Regel; dazu kommen zusätzliche Herausforderungen der Kulissen- und Kostümgestaltung, der Licht- und Tontechnik, der Werbegrafik, der Mithilfe bei der Probenlogistik und der Regieassistenz. Achtstundentage sind jetzt die Norm, in der 12. Klasse kommen nicht selten einzelne Abende und Wochenenden dazu. Im Erleben, dass die eigenen Fähigkeiten und Kapazitäten wirklich gebraucht werden, entsteht die Bereitschaft, die eigenen Grenzen auszuloten, gar „über sich hinaus zu wachsen“. Dies entspricht einer pädagogischen Grundeinsicht: Leichte Überforderung lässt wachsen, Unterforderung jedoch bremst die Entwicklung.
Selbsterziehung
Ein großes Theaterprojekt lässt alle Beteiligten auf vielen Ebenen persönliche Disziplin und Verlässlichkeit als notwendig und förderlich erleben. Der Vergleich mit dem Mannschaftssport liegt nahe: Unpünktlichkeit, mangelnde eigene Vorbereitung (Textunsicherheit) und mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber ganz praktischen Notwendigkeiten wirken unmittelbar lähmend auf den Gesamtprozess, und das entsprechende Feedback der Spielgemeinschaft ist in hohem Maße von erzieherischer Bedeutung. Eine Fülle von Achtsamkeiten sind bei den Proben gleichzeitig gefordert: Wann bin ich dran? Wo komme ich her? Was will oder soll ich in dieser Szene? Wo gehe ich hin und wann? Was sage ich wie zu wem? Wem gebe ich welche Spielvorlage? Verdecke ich niemanden? Agiere ich offen zum Zuschauer hin? u. v. m. Das ist Multitasking pur! Man muss nicht eigens betonen, dass sich hier in besonderem Maße lernen lässt, erhöhte Stressbelastung auszuhalten. Das gilt selbstverständlich auch für die erwachsenen ProjektbegleiterInnen. Ein Regisseur, der über Wochen so intensiv mit den durch eine solche Arbeit freigelegten Emotionen und Willensimpulsen einer ganzen Klasse umgehen muss, kann und will seine eigenen Empfindungen nicht verbergen, doch kann er versuchen, die eigenen Befindlichkeiten „im Griff“ zu behalten, was nicht ohne stetiges inneres Ringen möglich ist, aber umso mehr von Schülern und Schülerinnen als heilsam erlebt werden kann. Diese Art der Selbsterziehung kennzeichnet natürlich jede pädagogische Tätigkeit, sie scheint mir jedoch in der szenischen Arbeit im besonderen Maße gefordert zu sein.
Soziale Kompetenz
Wer Theater spielt oder Regie führt, agiert mit seinem gesamten Menschsein. Persönliche Stärken offenbaren sich ebenso unverhüllt wie subtile Schwächen. Erstere gilt es neidlos und dankbar zu begrüßen, letztere auszuhalten. Wie übe ich taktvolle, gesichtswahrende Kritik an der Mitschülerin, wie gehe ich damit um, dass der andere seinen Text immer noch nicht kann? Wie lerne ich, persönliche Korrekturen ohne reflexartige Rechtfertigungsversuche zu ertragen, ja sie als helfende Unterstützung wahrzunehmen? – Die Strahlkraft des eigenen Spiels gründet in hohem Maße auf den Vorlagen und der sozialen Wachheit der anderen. Spielfreude ist eine Form von Lebensfreude, und diese erwächst aus der kommunikativen Teilhabe am Gesamtprozess. Der Blick auf die Arbeit der Souffleuse kann das verdeutlichen: Gewissenhaftes, dienendes stilles Mitlesen ist die Grundverantwortung des Souffleurs; sodann muss er, muss sie lernen, beherzt und „unerbittlich“ bei Fehlern einzugreifen und so fast zwangsläufig manche Unmutsreaktion von der Bühne her auszuhalten. Diese Aufgabe verwandelt sich im Laufe der Probentage: Sensibel müssen echte „Hänger“ von Kunstpausen und wortloser Aktion unterschieden werden – treu und verlässlich werden die entsprechenden Stellen im Soufflage-Text notiert. Die Souffleuse schärft so allmählich ihren Sinn für die unsicheren Stellen einer jeden Spielerin und knüpft damit ein unsichtbares Netz des Vertrauens und der Geborgenheit.
Bewährung der kognitiven und der praktischen Intelligenz
Neben den szenischen Herausforderungen, die sich mit der Gleichzeitigkeit der verschiedenen Beweglichkeitserfordernisse im Dreiklang „Sprache – Gesten und Mimik – Gänge“ stellen, verlangt ein Klassenspiel viel kognitiv-logistische Findigkeit: Oft unter Zeitdruck müssen Lösungen für akut auftretende Probleme (Erkrankungen, Ausfälle) gefunden werden, Requisiten müssen verändert oder ersetzt werden, wenn sie sich als spieluntauglich erweisen. Mitglieder der „Technikgruppe“ (welche in der Regel auch eine Bühnenrolle ausfüllen) beweisen Koordinationsgeschick, wenn Ton- oder Geräuscheinspielungen mit der Beleuchtungsregie und dem Geschehen auf der Bühne in Einklang gebracht werden müssen – nicht selten in rasanter Abfolge!
Wer sich am Kulissenbau und am Bühnenbild beteiligt, findet die eigene handwerkliche Kreativität ebenso herausgefordert wie die Fähigkeit zur Präzision – schließlich müssen sich Türen verlässlich öffnen und schließen lassen, dürfen Podeste nicht umfallen. Die Kostümgestalter erleben ganz praktisch die vielfältigen Zusammenhänge zwischen dem Charakter einer Rollenfigur und deren (immer auch geschichtlich, stilistisch und farblich begründeter) Bekleidung.
Erweiterung der literarischen Kompetenz
In der Oberstufe werden im Literaturunterricht so manche Dramen in verteilten Rollen gelesen und im Gespräch analysiert. Leibhaftig erübte Klassenspiele aber können die sonst eher gedanklich zu durchdringenden Stil- und Dramatik-Merkmale ganz aus dem konkreten Erleben realisieren und so den Reichtum der dramatischen Kunst noch einmal ganz anders erfassen.
Der Gesichtspunkt der Sprachkompetenz
Die wochenlange Beschäftigung mit einem Drama durch wiederholtes stilles und lautes Lesen, das Erarbeiten des eigenen Rollentextes katapultieren die Lesefähigkeiten nach vorn, was ich immer wieder bei bis dato weniger flüssigen Lesern erleben durfte. Gezielte Sprachübungen zu Beginn der Probeneinheiten können die Klarheit der Artikulation steigern, der Sinn für angemessene Intonation und Modulation schärft sich. Dazu kommt die immense Steigerung der verbalen Kompetenz bei den Proben: Ist der Text noch unsicher, sucht man durch Paraphrase und kreative Eigenformulierungen eigene „Hänger“ zu meiden – wenngleich sie von der Souffleuse prompt und gnadenlos korrigiert werden (s.o.)! Großartige Synonyme werden da gefunden, Sätze umgestellt und neu konstruiert: So trainieren die Spieler unbewusst ihre aktive Sprachkompetenz – sie entwickeln ein Gespür für ihre innere generative Grammatik, mit der man Gedanken in Sätze verwandelt! Klar, dass es dabei auch viel zu lachen gibt! Ungewohnte Formulierungen des Autors, noch unbekannte Begriffe, Dialektanklänge und dezidierte Hochsprache lassen die Jugendlichen ihre Ausdrucksvielfalt erweitern, und zwar nicht allein für die Tage und Wochen nach den Aufführungen, wenn sie einander mit Textzitaten ansprechen! (Ich habe eine Klassenfahrt noch gut in Erinnerung, wo sich Mitreisende nach den „Schiller“-enden Jungen und Mädchen umsahen!)
Glückserlebnisse der schenkenden Teilhabe
Kommt man bei Schulfesten mit Ehemaligen ins Gespräch, fällt deren erinnernder Blick unweigerlich auch auf die großen Klassenspiele. Was in aller Regel geblieben ist, das ist das eindringliche Erlebnis eines wechselseitigen Geschenks aller an alle, eines tiefen Gemeinschaftserlebnisses, dessen soziales Klingen ein Leben lang nachhallt.
Wolfgang Boomes
Zeichen setzen… für den Frieden in der Welt,
insbesondere den Frieden in der Ukraine
Am Mittwoch, 11. Mai 2022, haben Schüler und Lehrer der Freien Waldorfschule Westpfalz in Otterberg Zeichen für den Weltfrieden gesetzt.
Im Religionsunterricht einzelner Klassen wurde über die Bedeutung und die Herkunft der Taube als Friedenssymbol gesprochen. Vor diesem Hintergrund entwickelten Schüler*innen mit ihren eigenen Worten Gebete. Ihre Gedanken und Gefühle brachten sie zu Papier. Dabei wurden auch die Menschen in Russland nicht außer Acht gelassen. Flüchtlingskinder aus der Ukraine, welche inzwischen auch die Freie Waldorfschule Westpfalz in Otterberg besuchen, waren in diesen Prozess einbezogen.
Als gemeinsames Zeichen für den Frieden versammelte sich ein Teil der Schulgemeinschaft auf dem Pausenhof. Es wurden selbst formulierte Gebete in unterschiedlichen Sprachen, aber auch bekannte Friedenslieder, beispielsweise „Dona nobis pacem“, vorgetragen.
In andächtiger Stimmung lauschten alle Anwesenden. Höhepunkt der Veranstaltung war der eurythmische Friedenstanz, an dessen Ende alle Schüler*innen die Hände zum Himmel führten. In diesem Augenblick stiegen zahlreiche Brieftauben empor, drehten zwei Runden über den Versammelten, bevor sie sich soweit entfernten, dass man sie nicht mehr sehen konnte.
Mögen sie die guten Gedanken mitnehmen und in die Welt tragen. Mögen die Schüler möglichst bald von der Erfüllung ihrer Gebete erfahren. Mögen wir alle uns für eine friedlichere Welt einsetzen.
„Frieden ist nicht die Abwesenheit von Konflikten, es ist die Fähigkeit, Konflikte friedlich zu lösen.“ (Ronald Reagan)
Für die Waldorfschule: Christel Dhom
Gedanken über die Gestaltung der Farben an unserer Schule
Als unsere beiden Schulhäuser in den Jahre 1991 bis 1994 von John Ermel geplant und von Wilfried Emmer gebaut wurden, entwickelte Fritz Fuchs zu der organischen Formsprache der Architektur, eine ebenso organische Farbsprache, die in der ganzen Farbgestaltung für die vielfältigen Räume und deren Nutzungen Ausdruck fand. Fritz Fuchs gehörte zu den innovativsten und bekanntesten Farbgestaltern innerhalb der anthroposophischen Bewegung.
Unsere Schule ist nun nach Ihrer Gründung im 30. Betriebsjahr. Neben dem Unterstufen- und dem Mittelstufengebäude wurde ursprünglich noch ein drittes Gebäude entworfen, in dem die Oberstufe, eine Turnhalle und ein Festsaal untergebracht werden sollten. Die beiden bestehenden Schulhäuser sind ja architektonisch gesehen in groß Teilen identisch. Beide Häuser werden seit jeher von beiden Altersstufen benutzt.
Über die Jahre hat sich mehrfach ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Raumbedarf und Raumangebot eingestellt, dass aber auch immer wieder nachjustiert werden musste. Die ab 2005 entwickelte Ganztagesschule und die damit verbundenen Anforderungen an Küche und Mensabetrieb haben den schon davor wahrgenommenen Raumbedarf erneut ins Blickfeld gerückt. Das für dieses Schulprofil in den Gründungsjahren 1991 bis 1994 so nicht vorgesehenen Raumprogramm konnte aber in seiner räumlichen Verwirklichung immer wieder den neuen Herausforderungen angepasst werden. Zuletzt geschah dies 2015 als weitere Räume zu Fluchtwegen umgewidmet wurden, um zu den neu angebauten Außen-Stahltreppen auflagengemäß gelangen zu können. Die sich in den letzten Jahren häufenden Umbauten und Anbauten, Nutzungsänderungen und technischen Nachrüstungen, aber auch der Schulalltag mit seinen täglich über 450 Nutzern, führten immer wieder dazu, dass die ursprünglich sehr einheitlich und gekonnt lasierten Wände durchbrochen wurden, Türen versetzt und beschädigte Putzstellen ausgebessert werden mussten.
Blick vom Schülercafé in das Treppenauge in der Mittelstufe
Wenn man von der Empore ins Treppenhaus schaut, ist hier eine sehr große Wandmalerei zu sehen, ein genialer Übergang von der Lasurmalerei zum Wandbild.
Bei den in der Vergangenheit durchgeführten Renovierungs-und Umbaumaßnahmen zeigte sich, wie die diversen Auffassungen von Lasurtechniken, die Nutzung unterschiedlicher Pigmentarten, und die Handhabe von Lasur-Werkzeugen sich deutlich von dem Ursprungszustand des von Fritz Fuchs und den Gründungseltern entwickelten Farbkonzeptes und Farbauftrag unterscheiden. Fritz Fuchs hatte in mehreren Workshops Lasurteams aus der Elternschaft eingewiesen und auch selber mit Hand angelegt.
Die bei Erstbezug aufgetragenen Farben hatten neben den für die einzelnen Klassenstufen entwickelten individuellen Farbtönen insgesamt in den Schulhäusern einen sehr einheitlichen Farb-Duktus, den man als erdverbunden bezeichnen könnte. Auf dieser Basis entstanden sehr lebendige Farbaufträge, die die Wände eher zu einem milderen Farberlebnis als zu einer gleißend-leuchtenden Farbempfindung führen. Dieser Charakter mag der die Schule umgebenden Landschaft mit ihren speziellen Witterungs- und Lichteigenheiten oder auch den sandigen, lehmigen und steinigen Untergrund abgelauscht worden sein. In jedem Fall führt er dazu, dass die Wände als deutliche vertikale Begrenzungen wahrgenommen werden können. Durch die Farbgebung wollen sich die Wände nicht scheinbar auflösen oder gar ein plastisches Erlebnis vermitteln. Dem Betrachter erscheinen die Wände in der Regel nicht transparent, wie dies häufig an anderen Schulen intendiert wurde.
Diese Wandmalerei ist nach dem Umbau des Schülercafés hinter einem Wandschrank verschwunden.
In der Unterstufe ist im Erdgeschoss im Klassenflur diese herrliche Farbkomposition zu finden.
Sowohl für den aktiven Beobachter der Farbräume als auch für den arglosen Nutzer entstand ein sehr geschlossenes und konsequent durchdachtes Farbpanorama, dass die Pädagogik in ihren vielfältigen Aufgaben auch heute noch unterstützt. Besucher beschreiben die Architektur und die mit ihr korrespondierende und sie ergänzende Farbwahl als harmonisch und belebend zugleich. Oft wird dabei eine Qualität des Wohlfühlens betont.
Künstlerisch gesehen gliedert sich das eine große Farbenwesen der Schule in den einzelnen Räumen zu ausdifferenzierten Farborganen, die in den einzelnen Klassenzimmern, Eurythmie-Sälen, Werkstätten usw. zu der gewünschten Atmosphäre beitragen.
Es ist immer wieder schön zu sehen, wie die Stimmungen in beiden Häusern durch die Farbe, die Farbkompositionen und besonders auch in der Mittelstufe durch einzelne Farbakzente gestaltet wurden. Diese Farbakzente sind am deutlichsten jedoch in den Malereien zu erleben, die in der Schule gelegentlich als Gemälde angesprochen werden.
Tomas Bittger, Werklehrer
(Der Beitrag erschien in der Zeitschrift „Mensch und Architektur“, Juli 2018)
Gartenbauunterricht
Gartenbauunterricht an der freien Waldorfschule Westpfalz in Otterberg
Wer-wie-was? Wieso-weshalb-warum?
Der biologisch-dynamisch bewirtschaftete Garten ist vielfältig im Schulgeschehen eingebunden. Die Kinder der Schule und des Kindergartens beginnen bereits früh sich mit diesem zu verbinden.
Zur Ackerbauepoche kommen die Kinder der dritten Klasse das erste Mal tatkräftig in unseren Schulgarten. Dort finden sich hinter den Gemüsebeeten zwei kleine Ackerflächen. Gemeinsam pflügen und eggen wir die Flächen und säen Wintergetreide aus. Später wird dieses mit dem/der Klassenlehrer geerntet, gedroschen, zu Mehl gemahlen und zu Brot gebacken.
Von der fünften bis zur achten Klasse erleben die Schüler im Garten wöchentlich den Umgang mit Erde und Pflanzen im Jahreslauf. Im zeitigen Frühjahr werden die Beetflächen auf die anstehende Gemüsesaison vorbereitet und bald schon säen und pflanzen wir die ersten Gemüsekulturen aus. Die angelegten Beetflächen werden gepflegt und beerntet, Wildkräuter und Früchte gesammelt und verarbeitet. Im Herbst und Winter schneiden wir die den Garten einfassenden Hecken und reparieren die Zäune. Wir beschäftigen uns eingehend mit dem Kompost und der Bodenbildung.
So bewahren wir in unserem Schulgarten einen möglichst vielfältigen Lebensraum für Tiere und Pflanzen und können erleben, wie die Ernährungsgrundlage des Menschen – und damit die Grundlage der menschlichen Kultur – entsteht. Wir erleben unsere Wirksamkeit unmittelbar und sind herausgefordert uns gemeinsam und ausdauernd einer Sache zu widmen. Wir erfahren viel über die Verbindung von Mensch und Natur. Wir erahnen große Zusammenhänge und machen uns die Wichtigkeit der kleinsten und unscheinbarsten Lebewesen klar.
In der Oberstufe fließen zunehmend ökologische Zusammenhänge, kulturgeschichtliche Bezüge und biologische Details mit in die praktische Arbeit ein und ermöglichen Querbezüge zu anderen Fächern. In der neunten Klasse fahren die Schülerinnen gemeinsam für zwei Wochen auf einen biologisch-dynamisch bewirtschafteten Hof und lernen vielfältige angegliederte Bereiche der Landwirtschaft (Käserei, Bäckerei, Tierhaltung) kennen. In der zehnten Klasse findet eine Epoche zum Obstbaumschnitt statt. Die Schülerinnen der elften Klasse widmen sich im Zuge einer Epoche der Veredelung von Obstbäumen oder Rosen.
In der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen schafft der Gartenbau einen Rahmen, in dem Fähigkeiten wie das Bedenken der eigenen Handlungen, das Urteilsvermögen, das Erkennen übergeordneter Zusammenhänge sowie soziales Miteinander geübt werden.
Diese Grundlage kann der fruchtbare Boden sein, auf dem alles wächst und gedeiht…
Jenny Wertheimer
Stadtentwicklung und Architektur: Exkursion nach Hamburg
Die 13. Klasse machte sich auf eine fächerübergreifende Exkursion mit den Kollegen Frau Gillmann für Geographie sowie Herrn Valentin Boomes und Frau Thomas für Kunst. Im Fokus stand der Hamburger Stadtteil Hafen-City mit den Schwerpunkten Entstehung, Waterfrontdevelopment, Nachhaltigkeit und Architektur.
Den im Entstehen begriffenen, noch mit zahlreichen Baustellen versehenen Stadtteil konnte die Klasse mit fachkundiger Führung durch das Hafencitymuseum in seinem Facettenreichtum erleben. Hier beeindruckte das Nebeneinander von Wohnen, Schule, Studium, Arbeiten, Tourismus und Hafen in unmittelbarem Bezug zur Speicherstadt, die seit 2015 zum Weltkulturerbe ernannt wurde.
Im Fokus der Architektur standen der Bau der Elbphilharmonie durch Herzog & de Meuron sowie die Deicherhöhung durch Zaha Hadid. Beide Bauten beziehen sich auf das Gegebene, lassen die soziale Komponente der Architektur erlebbar werden und verführen den Neugierigen zum Verweilen. Ein Konzertbesuch im Kleinen Saal der von den Hamburgern liebevoll genannten „Elphi“ sowie Zeit zum Zeichnen rundeten die viertägige Fahrt ab.
Annette Thomas