Anfang 2009 gründete sich an der Freien Waldorfschule Westpfalz eine Arbeitsgruppe aus Lehrern, Eltern, Oberstufenschülern und dem Medienpädagogen Uwe Buerman, die sich das Ziel gesetzt hatte, unter Einbeziehung der gesamten Schulgemeinschaft eine handyfreie Schule Realität werden zu lassen.
Anlass dafür war zum Einen die Tatsache, dass das Einschalten der Handys während der Schulzeit auch vorher schon untersagt war. Aber auch die Entwicklung hin zu partiellem missbräuchlichen Einsatz (z.B. Filmen und Weiterverschicken) und Störungen des Unterrichtsablaufes trugen zu diesem Entschluss bei.
Diese Problematiken lassen sich inzwischen an allen allgemeinbildenden Schulen beobachten.
An der Waldorfschule in Otterberg findet seit mehreren Jahren regelmäßig Unterricht zu den Themen rund um die modernen Medien statt, mit dem Ziel die Schüler in ihrer Schulzeit zu einer eigenständigen Medienkompetenz zu führen. Auch dadurch war von Anfang an bei einem Teil der Schüler der Wunsch zu konstruktiver Mitarbeit an diesem Thema vorhanden.
Wichtig im weiteren Prozess war allen Beteiligten vor allem, dieses Vorhaben nicht als einen Akt auf der Verbots- und Kontrollseite abzubuchen, sondern den positiven Aspekt hin zu einer menschengemäßen Handhabung des Handys zu sehen. So geht es in erster Linie darum, das Umfeld der Schule dazu zu nutzen, Wege aufzuzeigen, die wieder neu beschritten werden können und durchaus auch eine Zone zu schaffen, in der das Handy ausgeschaltet bleiben darf.
Um daraus entstehende Mangelerscheinungen möglichst gering zu halten, wurden als ein erster Schritt in den Klassen Uhren aufgehängt, so dass „der Blick auf die Uhr“ auch ohne das Handy stattfinden kann.
Über Schüler- und Elternbefragungen wurde festgestellt, dass die Handynutzung zur Organisation von Fahrgemeinschaften ein ganz wichtiges Mittel in der Schulgemeinschaft darstellt. Durch die Anschaffung öffentlicher Telefone, von denen aus kostenfrei telefoniert werden kann, gibt es nun auch in diesem Punkt eine Alternative.
2009 fand zusätzlich ein Medientag für alle Mittel- und Oberstufenschüler und interessierte Eltern statt, an dem verschiedenste Aspekte der modernen Medien kritisch betrachtet wurden.
Nachdem dieser Weg soweit beschritten war, wurde die„handyfreie Schule“ als gelungene Zwischenstation dieses Prozesses am 19.2.2010 eingeführt.
„Handyfreie Schule“ bedeutete fortan, dass alle Handys auf dem gesamten Schulgelände ausgeschaltet bleiben.
In einem zweistündigen Rahmenprogramm, das die Schüler gestaltet hatten und das auch gebackene Handys und einen Handyweitwurf (natürlich von defekten Handys) beinhaltete, wurde der Apparat „Paul“ an der Schule begrüßt, der in den Klassenräumen durch ein Signal an das Ausschalten der Handys erinnert.
Er ist eine Eigenentwicklung von Schülern einer Stuttgarter Waldorfschule. Auch Bürgermeister Martin Müller aus Otterberg war anwesend und überreichte der Handydelegation einen Scheck, um die Kosten etwas geringer zu halten.
Die Arbeitsgruppe wird auch in Zukunft weiterarbeiten mit dem Ziel, nicht nur für die Vorteile sondern auch für die Probleme der aktuellen Mediengesellschaft innerhalb der Schulgemeinschaft ein weiterhin wachsendes Bewusstsein zu schaffen. Hierzu fand 2010 ein weiterer Medientag statt.
Rückblick auf den Medientag aus Schülersicht
Der Medientag ist eine Idee, die in der Handydelegationsgruppe in Zusammenarbeit mit Uwe Buermann entstanden ist und kurz vor Beginn der Sommerferien 2009 an unserer Schule durchgeführt wurde.
Aufgrund der so positiven Resonanz in der Schulgemeinschaft und des Artikels in der Erziehungskunst (Heft Nr. 12/2009) erschien eine Broschüre zu unserem Medientag 2009, in der die Gesamtdokumentation dazu enthalten ist.
Monatelange Zusammenarbeit von Schülern, Eltern und Lehrern sollte am 09.07.09 in die Realität umgesetzt werden. Am Abend zuvor trafen sich die Betreuer der 11 verschiedenen Stationen, rund um Medien, um alles aufzubauen. Der Tag begann mit einem Auftakt der 10 Klasse, sie stellten in Sketsch-Form die krasse Realität der Handynutzung, des Computer Spielens und der Wichtigkeit der Medien in der heutigen Gesellschaft dar. Dies war eine sehr gelungene Einführung für die Besucher in das, was sie im Laufe des Tages noch alles erwartete.
Vom Wii-Spiel bis Pornographie wurden in den Stationen, die teilweise in Eigenarbeit von Schülern entstanden sind, den Besuchern gezeigt, was hinter dem Suchen bei Google und dem Ersteigern von Dingen bei Ebay noch alles hinter dem weiträumigen Medium Internet steckt. Die Reaktionen der Besucher waren zum Teil Sprachlosigkeit und Fassungslosigkeit auf das, was sie gesehen haben und darüber wie es dargelegt wurde. Am meisten wurde mir in den Gesprächen, die ich den Tag über und auch danach noch führte, gesagt, wie schockierend vor allem die Station über die Internetnutzung von und für Kinder war. Sprachlose Gesichter waren zu sehen, als gezeigt wurde, was hinter dem Internetcode eines Überraschungs-Ei´s steckt, dass die versprochenen Spiele, die man sich vorgestellt hat, nicht nur harmlose Kinderspiele waren, sondern Spiele, die weit darüber hinaus gingen. Zum Beispiel wie auf eine, an einer Drehscheibe befestigten Frau, die Kinder Messer werfen können und gezeigt wird, was passiert, wenn man mal die Person auch trifft. Diese Art von Spielen ist mit Sicherheit nicht für die Altersklasse der Kinder, für die so eine Seite bestimmt ist, aber ohne Probleme zu erreichen für jedes Kind!
In dem Bereich ab 18 Jahre wurde von Schülern der Oberstufe, den Eltern und Lehren gezeigt, wie Computerspiele ab 18, zum Beispiel Counterstrike/Ego Shooter, wirklich ablaufen und sie so einen Eindruck davon bekommen, was ihre Söhne/Töchter an brutalsten Spielen den Tag über spielen, auch wenn sie noch keine 16 oder 18 Jahre alt sind. Außerdem wurde in diesem Bereich, von einem Schüler, sehr deutlich gezeigt, wie einfach es für jeden, also auch Kinder, ist, kostenlos an die unvorstellbarsten Pornos zu gelangen.
Natürlich war auch für den Bewegungs- und Spaß-Faktor gesorgt, wobei die Besucher auf der Wii Seil laufen konnten und im Vergleich ihre Balance-Fähigkeit in der Realität auf einem Seil unter Beweis stellten, was sich für manche als doch recht schwierig herausstellte :-). Auch das mit der Zeit recht leichte Zielen und Schießen bei den Computerspielen stellte in der Realität beim Bogenschießen einen doch höheren Kraftaufwand und einen höheren Schwierigkeitsgrad dar.
Ein Vortrag einer Schülerin der 12. Klasse über Computerspielsucht gönnte eine Sitzpause, die weitaus informationsreicher war, als die Pause vor dem Fernseher abzusitzen. Die Schülerin berichtete über die Folgen des dauerhaften Spielens und brachte einige Beispiele, wie zum Beispiel kein Gefühl mehr für das reale Leben zu haben und gesundheitsschädliche Aspekte. Außerdem zeigte sie den Besuchern, wie so ein Spiel wie „Guilt Wars“ wirklich gespielt wird, um einen Einblick in die Welt des Spielers zu bekommen.
In dem Bereich der „Handynutzung“ wurde gezeigt, was ein Handy noch alles kann außer dem bekannten Telefonieren und SMS schreiben. Dort wurde auch dargelegt, wie diese modernen Funktionen gehandhabt werden und/aber auch missbraucht werden und es dabei zu fatalen Folgen kommen kann. Vor allem im Gebrauch von Kindern und Jugendlichen können selbst gedrehte Videos über Bluetooth sich schneller verbreiten als man gucken kann und so in Hände geraten, in die sie, vom Inhalt her, mit Sicherheit nicht hingehören!! Dagegen wurde auch gezeigt, was die Handystrahlung im gesundheitlichen Rahmen für Folgen haben kann.
Den ganzen Tag über wurden die Besucher von so genannten Reportern begleitet, die die Stimmung erfassten und Fragen zu den Eindrücken über das neu Erfahrene stellten.
Am Abend hielt Herr Buermann einen Vortrag, der das noch mal wiedergab, was den Tag über von Eltern, Lehrern und vor allem Schülern der Oberstufe übermittelt wurde. In dem Vortrag wurde von ihm noch mal bewusst gemacht, wie wichtig es ist, Bewusstsein für das große Gebiet der Medien zu schaffen und dass in Form eines solchen Tages das Wissen von Schülern u. Lehrern an die Gesellschaft weiter gegeben wird. Dass mit solchen Aktionen es gelingt klar zu machen, wie fortschrittlich die Medien sind und man die dahintersteckenden Gefahren nur erkennen kann, wenn man mit „offenen und kritischen Augen“ das Medium betrachtet.
Internet, Handy, Fernsehen, Computerspiele etc. leben in der Gesellschaft und sind auch nicht mehr wegzudenken! Jeder nutzt es und weiß es zu schätzen, doch mit jedem Tag kommt was Neues dazu und etwas anderes ändert sich und sorgt so dafür, dass man dem nicht immer folgen kann. Aber wenn man es schafft, sich dem schon mal bewusst zu sein, dann ist das ein weiterer Schritt, dem Missbrauch der Medien entgegen zu treten. Mit dieser „Botschaft“ wurde der Medientag beendet und mein Anliegen dazu ist, dass es ein Impuls für etwas war, das zumindest mal zum Nachdenken anregt.
Johanna Thomas, ehemalige Schülerin und Mitinitiatorin des Medientages
Hier können Sie unsere Vereinbarungen zur handyfreien Schule nachlesen!